Integration ab Zeitpunkt Asylgesuch

15.03.2016 , in ((Politik)) , ((Keine Kommentare))

Derzeit wird intensiv über die nachhaltige und bessere Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Personen mit einer vorläufigen Aufnahme diskutiert. Die aktuellen Schwierigkeiten sind jedoch ein hausgemachtes Problem der heutigen Integrationspolitik und der daraus resultierenden Gesetzgebung. Der Ball liegt folglich beim Bundesrat und dem nationalen Parlament: Sie müssen die aktuellen Gesetze anpassen.

Im Jahr 2015 wurden in der Schweiz 39’523 Asylgesuche gestellt. Gleichzeitig hat das Staatssekretariat für Migration 28’118 Asylgesuch erstinstanzlich behandelt. 53% der betroffenen Personen erhielten entweder Asyl oder eine vorläufige Aufnahme. Somit bleiben mehr als die Hälfte der Personen, deren Asylgesuch behandelt worden ist, längerfristig in der Schweiz. Die zuständigen Behörden können einer asylsuchenden Person ihr «Vermögen» abnehmen, um die Rückerstattung der verursachten Kosten sicherzustellen. Denn das Asylgesetz sieht vor, dass Asylsuchende – soweit es zumutbar ist – die Sozialhilfekosten, die Ausreise- und Vollzugskosten sowie die Kosten für das Rechtsmittelverfahren zurückerstatten müssen.

Wie gross ist das Interesse zu arbeiten, wenn 10% des Lohns eingezogen werden?

Ein Blick in das aktuelle Asylgesetz zeigt, dass Asylsuchende die ersten drei Monate nicht arbeiten dürfen. Nach Ablauf der drei monatigen Frist können Asylsuchende unter gewissen Voraussetzungen und nur mit Erlaubnis der kantonalen Behörden eine Arbeitsbewilligung erhalten. Ein Rechtsanspruch auf Erwerbstätigkeit besteht nicht. Laut Asylstatistik gehen schweizweit 1.1 % der erwerbsfähigen Asylsuchenden einer Erwerbstätigkeit nach (Stand 31.01.2016). Die Mehrheit der Asylsuchenden arbeitet im Gastgewerbe. Ein wichtiger Faktor, der die Arbeitsmarktintegration hemmt, ist die sogenannte Sonderabgabe. Diese Sonderabgabeflicht wird erhoben, wenn eine asylsuchende oder schutzbedürfte Person ohne Aufenthaltsbewilligung einer Arbeit nachgeht. Sie darf dabei nicht mehr als 10% des Lohnes betragen. Der Arbeitgeber zieht diese Abgabe direkt vom Lohn ab und überweist den Betrag an den Bund. Die Dauer der Sonderabgabepflicht dauert längstens 10 Jahre, nach erstmaliger Aufnahme einer Arbeit. Sie endet ebenfalls, wenn der Betrag von CHF 15’000 erreicht ist. Die vorher abgenommenen Vermögenswerte werden an die Sonderabgabe angerechnet. Ebenso endet die Sonderabgabepflicht, wenn die asylsuchende Person den Flüchtlingsstatus erhält.

Die Vorschläge des Bundesrats greifen zu kurz

Im Zusammenhang mit der Umsetzung der angenommenen Masseneinwanderungsinitiative hat der Bundesrat nun verschiedene Massnahmen und Änderungen vorgeschlagen, die eine bessere Arbeitsmarktintegration für Asylsuchende und Personen mit einer vorläufigen Aufnahme anstreben. So soll einerseits die Sonderabgabepflicht für Asylsuchende, Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung und vorläufig Aufgenommene und andererseits die Bewilligungspflicht für Erwerbstätigkeit abgeschafft werden. Gleichzeitig will der Bundesrat im Rahmen der Neustrukturierung des Asylbereichs das drei monatige Arbeitsverbot für Asylsuchende, deren Verfahren nicht im Bundeszentrum abgeschlossen werden kann, nach der Überstellung in den Kanton aufgeheben. Jedoch bleibt das Arbeitsverbot für Asylsuchende, welche in den Bundeszentren sind, bestehen. Alle diese Vorschläge zielen darauf ab, dass das bestehende inländische Arbeitspotential gefördert werden soll, damit der Bedarf an Arbeitsnehmenden aus dem Ausland abnimmt, was letztlich das Ziel der angenommenen Masseneinwanderungsinitiative ist.

Auch wenn die Vorschläge des Bundesrats grundsätzlich zu begrüssen sind, greifen sie hinsichtlich einer nachhaltigen und gesamtheitlichen Integrationspolitik zu kurz: Eine Arbeitsmarktintegration bedingt auch eine Berücksichtigung der familiären Situation der betroffenen Personen. So haben vorläufig aufgenommene Personen erst nach einer dreijährigen Wartefrist die Möglichkeit ihre Familienmitglieder (Ehefrau respektive Ehemann sowie Kinder) in die Schweiz nachzuziehen. Dies unter der Bedingung, dass sie mit diesen zusammenwohnen, eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist und sie keine Sozialhilfe beziehen. Gleichzeitig zeigen Studien, dass Personen mit einer vorläufigen Aufnahme schneller erwerbstätig sind, als diejenigen mit Flüchtlingsstatus – was für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt sprechen würde.

Der Knackpunkt liegt dabei im Detail: Aufgrund der hohen Hürden beim Familiennachzug, nehmen Personen mit einer vorläufigen Aufnahme oftmals eine Arbeit im niedrigen Lohnsektor an. Das widerspricht der Forderung nach einer nachhaltigen Arbeitsmarktintegration, weil diese Jobs immer ein gewisses Risiko bergen, erneut in die Sozialhilfeabhängigkeit zu rutschen. Gleichzeitig besteht aktuell (noch) die Pflicht zur Leistung von 10% der Sonderabgabe auf diesen Löhnen. Der Vorschlag des Bundesrates sieht derzeit keine Lockerung im Bereich des Familiennachzugs vor. Der Schwerpunkt der aktuellen Änderungen zielt lediglich auf die wirtschaftliche Integration ab – ohne, dass der sozio-kulturellen Integration Rechnung getragen wird.

Vorschlag: Integration ab Zeitpunkt Asylgesuch

Die Schweiz verfolgt den Grundsatz, dass Integration erst ab einem «gesicherten» Aufenthaltsstatus erfolgen soll. Dieser Ansatz wird den heutigen Integrationsbedürfnissen nicht mehr gerecht. Die Mehrheit der Menschen, die aktuell die Schweiz um Schutz ersuchen, bleibt mit grösster Wahrscheinlichkeit hier. Im Sinne einer nachhaltigen Integrationspolitik sollte deshalb die Dauer des Asylverfahrens für Integrationsmassnahmen genutzt werden. So könnten ab Zeitpunkt des Asylgesuchs bereits Sprach-, Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegrationskurse für Asylsuchende angeboten werden. Gleichzeitig muss eine Lockerung im Bereich des Familiennachzugs, insbesondere für vorläufig Aufgenommene, erfolgen. Eine solche Integrationspolitik, die sowohl die wirtschaftliche als auch die sozio-kulturelle Integration von Anfang an fördert, hätte nicht nur einen positiven Effekt auf die zukünftige Arbeitsmarktintegration, sondern würde auch eine sinnvolle Nutzung der Wartefrist darstellen. Die erlernten Fähigkeiten können auch bei einer allfälligen Rückkehr bedeutsam sein. Es braucht somit ein Umdenken in der aktuellen Integrationspolitik: Integration darf nicht erst beim «gesicherten» Aufenthaltstitel beginnen und lediglich die wirtschaftlichen Integration in den Vordergrund stellen. Vielmehr muss ein gesamtheitliches Integrationskonzept bereits bei der Ankunft in der Schweiz zum Tragen kommen. In diesem Sinne sind die gesetzlichen Grundlagen anzupassen und insbesondere der aktuelle Integrationsgrundsatz «Fordern und Fördern» neu auszulegen.

Stefanie Kurt
PostDoc, nccr – on the move, Universität Neuenburg

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