Die Geschichte der erleichterten Einbürgerung: die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner

27.01.2017 , in ((Naturalization, Politik)) , ((Keine Kommentare))

Die parlamentarische Initiative der Nationalrätin Ada Marra aus dem Jahr 2008, über die am 12. Februar 2017 abgestimmt wird, ist nicht der erste Vorschlag zur Einführung einer erleichterten Einbürgerungsregelung für bestimmte junge Ausländerinnen und Ausländer in der Bundesgesetzgebung.

Der erste Versuch, eine solche Regelung einzuführen, erfolgte 1903, als den Kantonen die gesetzliche Kompetenz übertragen wurde, ausländischen Kindern das Bürgerrecht bei der Geburt zu erteilen. Voraussetzung war, dass deren Mutter Schweizerin ist oder deren Eltern bei der Geburt während fünf Jahren im Kanton wohnhaft waren. Diese Möglichkeit blieb von den Kantonen ungenutzt. Durch eine Verfassungsänderung im Jahr 1928 erhielt der Bund daraufhin eine ähnliche Kompetenz, die aber erst 1976 vollständig umgesetzt wurde.

Im Jahr 1983 startete eine Reihe von Volksabstimmungen zum Thema erleichterte Einbürgerung. Damals sowie erneut 1994 und 2004 sind dem Volk relativ ähnliche Vorlagen vorgelegt worden, die jedoch nie die erforderliche doppelte Mehrheit von Volk und Ständen erreichte – einzig die Vorlage von 2004 erreichte immerhin eine Volksmehrheit. Die Abstimmungsserie geht am 12. Februar 2017 weiter.

Die Tabelle zeigt eine Übersicht der verschiedenen Vorlagen, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts vorgelegt worden sind.

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Diese Tabelle zeigt auf den ersten Blick, dass die Vorlage 2017 insgesamt die restriktivste ist. Tatsächlich ist die aktuelle Vorlage in jedem der drei untersuchten Kriterien am wenigsten progressiv. Erstens ist es die einzige Vorlage, die nur die dritte Generation betrifft. Zweitens erfolgt die Einbürgerung nur auf Gesuch hin und nicht automatisch oder unmittelbar bei der Geburt. Schliesslich und vor allem, muss der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin Bedingungen erfüllen, die zahlreicher sind als in den früheren Vorschlägen und gleichzeitig Familienmitglieder von drei Generationen betreffen.

Der Hauptgrund für die eingeschränkte Vorlage ist wahrscheinlich in den Abstimmungsniederlagen der ambitionierteren Vorlagen zu finden. Anstatt diesen Mangel an Ehrgeiz zu sehen, ist es von Vorteil, die reelle Chance zu erkennen, dass die Lage der jungen Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation verbessert werden könnte. Denn das vorliegende Projekt präsentiert den kleinsten gemeinsamen Nenner, der möglicherweise durch das Volk und die Stände akzeptiert werden kann.

Didier Leyvraz
Assistent und Doktorand in Migrationsrecht, Universität Neuenburg

 

Etwa 25% der über 18jährigen Personen, die in der Schweiz leben, haben auf Bundesebene kein Recht auf politische Mitwirkung, weil sie nicht eingebürgert sind und demzufolge keinen Schweizer Pass besitzen. Im Vorfeld zur Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration, die am 12. Februar 2017 stattfindet, publiziert der «nccr – on the move» eine Reihe von Blog-Beiträgen mit Daten und Fakten zur Einbürgerung in der Schweiz.

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